Klimafolgenbewältigung durch Versicherungen

In der FAZ war am 6.5. zu lesen, dass die Bundesregierung Klimaversicherungen für Entwicklungsländer zu einem Schwerpunkt ihrer Präsidentschaft der G7 machen will. Solche Versicherungen können Individualversicherungen sein, bei denen z.B. einzelne Bauern mögliche Schäden durch Dürreperioden absichern können. Es gibt aber auch Modelle, wonach die Versicherung Regierungen nach einer Katastrophe dringend benötigte Liquidität zur Verfügung stellt. Das klingt zunächst ganz gut: Deutschland setzt sich für die vom Klimawandel am schwersten betroffenen Länder ein und will dies mit einem Instrument tun, dass sich ganz tauglich anhört. Zudem ist es im Einklang mit dem Ziel der UN-Klimaverhandlungen, Versicherungsinstrumente zur Bewältigung von Klimaschäden besonders zu berücksichtigen.
Aber wenn man ein wenig darüber nachdenkt, kommt man ins Grübeln. Die erste Frage, die sich stellt, ist: Wer zahlt diese Versicherungen? Das Prinzip einer gewöhnlichen Versicherung ist die Verteilung von Risiken auf viele Schultern. Die Versicherung kann bei einer großen Zahl von Versicherten das Gesamtrisiko statistisch zuverlässig erfassen und so kalkulieren, dass die Summe der Beiträge aller Versicherten die Summe der Auszahlungen an die Betroffenen zuzüglich Kosten und Gewinn der Versicherung abdeckt. Von Wetterkatastrophen sind Länder in den verschiedenen Regionen der Welt aber unterschiedlich betroffen. Wenn man daher z.B. Versicherungen anbietet, die nur gegen Dürren absichern, sind diese für afrikanische Ländern attraktiv, für nördliche eher nicht. Damit würden sich die Menschen in Entwicklungsländern gegenseitig absichern. Dies wirft aber ein Gerechtigkeitsproblem auf, da gerade diese Länder besonders unter den Folgen des Klimawandels leiden, jedoch die dafür verantwortlichen CO2-Emissionen weder verursacht noch von ihnen besonders profitiert haben.
Wenn man die Industrieländer in die Versicherungen einbinden will, könnte man Produkte anbieten, die auch Risiken abdecken, die in diesen Ländern entstehen. Da in den Industrieländern die Schäden durch Wetterkatastrophen vermutlich aber deutlich teurer sind, dürften die Prämien für solche Versicherungen für Menschen in Entwicklungsländern unerschwinglich werden. Wenn man also eine Beteiligung der Industrieländer erreichen will, was meiner Meinung nach unbedingt geboten ist, muss dies auf anderem Weg geschehen. Denkbar und in der Diskussion ist die Errichtung eines Fonds, in den reiche Staaten (freiwillig) einzahlen und dessen Mittel die Versicherung dann in Entwicklungsländern ausschütten kann.
Die Errichtung solcher Klimafonds, die Gelder zwischen reichen und armen Staaten umverteilen, ist sicher eine richtige und notwendige Maßnahme. Aber warum sollten die Mittel dann über Versicherungen verteilt werden?
Als Argument für die Errichtung von Versicherungsmärkten für Wetter- und Klimaschäden in Entwicklungsländern kann man anbringen, dass sie den Betroffenen neue Möglichkeiten eröffnen, sich selbst abzusichern. Ihr Handlungsspielraum vergrößert sich also und sie werden weniger abhängig von der Hilfsbereitschaft anderer. Ein weiteres Argument dafür ist, dass Versicherungslösungen marktbasierte Instrumente sind und damit vermutlich eine hohe Effizienz aufweisen und dieselbe Leistung besser erbringen können als staatliche oder nichtstaatliche Bürokratien.
Diese Argumente haben Gewicht in einer Welt, die durch politische Machbarkeitsüberlegungen und knappe Mittel gekennzeichnet ist. Jedoch müssen auch Gegenargumente ausreichend berücksichtigt werden.
Zum einen kann man die Behauptung hinterfragen, dass private Versicherungsmärkte tatsächlich ein effizientes Mittel zur Linderung von Klimaschäden sind. Effizienz heißt, ein vorgegebenes Ziel mit geringstmöglichem Ressourceneinsatz zu erreichen. Aber was genau ist das Ziel? Eine private, gewinnorientierte Versicherung wird nur solche Produkte anbieten, die eine ausreichende Rendite abwerfen. Es mag Fälle geben, in denen Hilfe notwendig ist, sie aber für die Versicherung nicht profitabel ist. Zum anderen müssen die angebotenen Produkte nicht den Bedürfnissen der Kunden entsprechen. In der ökonomischen Standardtheorie ist das kein Problem, weil der souveräne, rationale Kunde diese Produkte dann nicht nachfragt und sie somit wieder vom Markt verschwinden. In der Realität kann man bereits in Industriestaaten mit hohem Bildungsniveau an der Souveränität und finanziellen Kompetenz der Menschen zweifeln. Die Forschung von Annamaria Lusardi zeigt ein erschreckendes Ausmaß von finanziellem Analphabetismus in westlichen Ländern. Nicht überraschend führt dies z.B. in Deutschland zu einer erheblichen Überversicherung. Die Diskussion nach der Finanzkrise über einen besseren Anlegerschutz und eine stärkere Überwachung der Beratung durch Finanzinstitute sollte nicht in Vergessenheit geraten. Im Fall der Entwicklungsländer sei an die Hoffnungen erinnert, die man in die Bekämpfung der Armut durch Mikrokredite gesetzt. Dieses Konzept, das zuerst von der Grameen Bank in Bangladesh umgesetzt wurde und für das Muhammad Yunus den Friedensnobelpreis bekam, ist zunehmend in die Kritik geraten (siehe Spiegel, Neon), u.a. weil gewinnorientierte Banken Armen Kredite aufdrängten.
Interessanterweise stößt man bei einer Internetrecherche zu Klimaversicherungen sehr schnell auf die Munich Climate Insurance Initiative, die von der Münchner Rückversicherung (Munich Re), ins Leben gerufen wurde. Die Initiative gibt sich wohltätig, aber die Vermutung, dass die Rückversicherung im Klimawandel auch ein interessantes Geschäftsfeld entdeckt hat, liegt nahe. Im Zusammenhang mit dem umstrittenen Staudammprojekt Belo-Monte in Brasilien ist die Munich Re wegen Verstößen gegen die eigenen Corporate-Responsibility-Richtlinien in die Kritik geraten.
Ein anderes Argument gegen eine zu starke Gewichtung von Klimaversicherungen ist, dass dadurch eine Übertragung von Verantwortung stattfindet. Wenn es einen Markt für individuelle Klimaversicherungen gibt, steht es den möglicherweise Betroffenen nach der Marktlogik frei, eine Versicherung abzuschließen oder eben auch nicht. Wer sich nicht versichert, trägt dafür aber die Verantwortung und ist dann selbst schuld, wenn er im Schadensfall keine Hilfe erhält. Dies entlastet aber die Verursacher des Klimawandels.
Hilfe in Katastrophenfällen sollte eine zentrale staatliche Aufgabe sein und ist es in vielen Ländern ja auch. Ob Betroffene im Katastrophenfall Hilfe bekommen, sollte nicht davon abhängen, ob sie sich versichern konnten oder wollten. In vielen Entwicklungsländern gibt es schwerwiegende Probleme mit der Staatsführung und die finanziellen Spielräume sind begrenzt. Private Versicherungen können in einem solchen Umfeld eine zusätzliche Hilfe sein und es sollte privaten Versicherungen auch nicht untersagt werden, sich in diesem Feld zu betätigen.
Ich halte es aber für bedenklich, wenn gerade die Förderung privater, gewinnorientierter Initiativen zu einer Priorität ihrer Politik machen will. Eine bessere Wahl wäre, gemeinnützige, staatliche oder überstaatliche Initiativen stärker voranzutreiben.

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